Wie Sie wirksam gegen Tunnelblick und Angststarre vorgehen
„Wenn das Problem weiter zunimmt, werde ich meinen Job nicht mehr ausüben können.“ Mit diesem Problem ist sehr starkes Lampenfieber gemeint und der Satz stammt von einem Coachee in einem Vorgespräch zum Auftrittscoaching.
Ich kann diese Befürchtung gut nachvollziehen, denn er wird in Kürze für den Bereich Marketing und Vertrieb in einem mittelständischen Unternehmen verantwortlich sein, und in dieser Position gehört es zu den Kernaufgaben, vor Gruppen aufzutreten und zu präsentieren.
Auftrittsangst und starkes Lampenfieber sind weit verbreitete Phänomene im Zusammenhang mit Vorträgen, Präsentationen, Prüfungen oder anderen sozialen Situationen, bei denen die betreffende Person im Mittelpunkt steht.
Häufig ist es das Sprechen vor einer Gruppe fremder Menschen, das vielen Personen Angst macht. Bei diesem unangenehmen Gefühl handelt es sich häufig um die Angst vor einer negativen Bewertung oder vor Abwertung. Eine negative Bewertung wird deshalb als belastend empfunden, weil man zum einen wahrscheinlich Nachteile zu erwarten hat und zum anderen bedroht sie unser Selbstwertgefühl. Letzteres wiegt vielleicht noch schwerer, denn jeder Mensch hat das Bedürfnis, sein Selbstwertgefühl stabil zu erhalten oder besser noch zu erhöhen. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist eine Präsentation also ganz schön riskant und es steht viel auf dem Spiel.
Ein gewisses Maß an Lampenfieber kann durchaus nützlich sein
Unser Körper signalisiert uns mit Lampenfieber, dass jetzt eine wichtige Anforderung zu bewältigen ist, bei der wir wach und aufmerksam sein müssen. Ein hoher Grad an Lampenfieber wirkt sich jedoch als Leistungsblockade aus. Wenn die Angst zu stark ausgeprägt ist, ist die Motivation auf Vermeidung eingestellt. Belastende Gedanken wie: „Bloß nicht den roten Faden verlieren“, „Bloß nicht verhaspeln“ oder „Mir fehlt die Souveränität, um kritische Fragen zu beantworten“ gewinnen die Oberhand. Derartige Gedanken erfordern von den betreffenden Personen eine andauernde Kontrolle. Es kostet unheimlich viel Kraft, genau das, was man befürchtet, zu vermeiden. Demzufolge fehlt die Energie für eine fokussierte Aufmerksamkeit, die man zur erfolgreichen Bewältigung der anstehenden Aufgabe benötigt.
Was also ist zu tun?
Bei einer starken Ausprägung des Lampenfiebers helfen Übung, Training oder gute Ratschläge meist nicht weiter. Wichtig ist es, den Coachee möglichst rasch vom belastenden Gefühl der Angst zu befreien. Aus diesem Grunde arbeite ich im Auftrittscoaching mit der Methode Wavivid-Coaching. Damit lassen sich emotionale Blockaden rasch auflösen.
Die Kernintervention bei dieser Methode besteht darin, dass beim Klienten schnelle Augenbewegungen erzeugt werden, während er an die belastende und angstauslösende Situation denkt. Die Wurzeln dieser Methode liegen im therapeutischen Bereich. Die schnellen Augenbewegungen ähneln den REM-Phasen, die wir unbewusst im Schlaf erleben.
Die Erläuterung des Begriffes Wavivid veranschaulicht die Wirkung, die durch die Methode erzeugt wird: Der Name „Wavivid“ setzt sich aus den beiden Wörtern „to wave“ und „vivid“ zusammen. Es gibt die beiden Redewendungen „to wave goodbye“ und „to wave hello“ – das bedeutet jemanden zum Abschied oder zur Begrüßung winken. „Vivid“ bedeutet farbenfroh oder lebendig. Im metaphorischen Sinne beschreiben diese Redewendungen die Effekte von Wavivid-Coaching. Belastende Gefühle, wie beispielsweise Angst werden durch das „Winken“ vor den Augen des Klienten verabschiedet und positive Gefühle herbeigewunken. Der berühmte Tunnelblick, der unsere Wahrnehmung unter starkem Stress einschränkt, ist mit einem inneren Erleben von Enge, Starre und Dunkelheit verbunden. Durch die schnellen Augenbewegungen geraten die Emotionen jedoch wieder in Bewegung – das innere Erleben verändert sich positiv, es wird lebendig und farbenfroh.
Das verblüffend wirkende Ergebnis dieser Intervention ist, dass der Klient sich sehr rasch entlastet und befreit fühlt, da sich die negativen Gefühle auflösen. Der Teufelskreis von belastenden Gefühlen und belastenden Gedanken wird so unterbrochen und der Stresspegel deutlich gesenkt.
Es werden Impulse der Entspannung und häufig sogar angenehme Emotionen angeregt. Auf der Basis dieses deutlich entspannten Zustandes ist es nun auch möglich, die Befürchtungen zu entkräften und in unterstützende Gedanken umzuwandeln. So wird beispielsweise aus „Mir fehlt die Souveränität, um kritische Fragen zu beantworten“ „Ich bin sicher im Thema, habe etwas zu sagen und kann mit kritischen Fragen souverän umgehen“.
Das erste Feedback der Klienten ist häufig eine verblüffte Reaktion. Manche fragen dann überrascht: „Kann es sein, dass es schon besser geworden ist?“ Die Intensität des belastenden Gefühls, die der Klient als unangenehmen Druck oder Enge erlebt, nimmt ab und wird als „leichter“, „weiter“ oder „besser“ beschrieben. Auch die inneren Bilder in der Vorstellung des Klienten verändern sich. Ein inneres Bild, das vorher sehr bedrohlich war, rückt in der Vorstellung weiter weg. Durch diesen größeren Abstand wird auch die empfundene Distanz verstärkt. Durch die wahrgenommene Entlastung fühlt sich der Klient gestärkt und der entsprechenden Anforderung gewachsen.
Empfohlene Literatur:
Metzig, Werner / Schuster, Martin: Prüfungsangst und Lampenfieber. Berlin, Heidelberg 2009.
Vössing, Heidrun: Emotionscoaching. Der Einfluss von positiven und negativen Gefühlen auf Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Norderstedt 2011.
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