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Psychologische Sicherheit: Die Superkraft erfolgreicher Teams

Wie wecke ich die Superkräfte meines Teams?

Im heutigen Interview führen wir das Gespräch mit unserer Trainerin Karin Volbracht, die bereits über 10 Jahre erfolgreich Inhouse Trainings und offene Seminare für das ime durchführt. Anlässlich ihrer Buchveröffentlichung möchten wir gerne das Thema psychologische Sicherheit aufgreifen – und erfragen, welche Auswirkungen diese für die Arbeit in erfolgreichen Teams hat.


Was genau verstehst du unter „psychologischer Sicherheit“ und warum ist sie so wichtig für Teams?

Viele Menschen denken beim Begriff „psychologische Sicherheit“ zuerst an eine individuelle Eigenschaft wie Selbstbewusstsein. Doch damit hat das wenig zu tun. Psychologische Sicherheit beschreibt die Eigenschaft eines bestimmten sozialen Umfelds oder einer Organisationskultur. Das kann ein Arbeitsteam sein, eine Familie oder eine Fußballmannschaft – alle Kontexte, in denen Menschen miteinander kommunizieren und gemeinsam etwas tun.

Der Kernbegriff, den die Harvard-Professorin Amy Edmondson dazu geprägt hat, ist „Angstfreiheit“. In einem psychologisch sicheren Umfeld erleben Menschen, dass sie Ideen, Meinungen oder auch Kritik offen teilen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Sie erleben, dass sie etwas Besonderes leisten oder auch Fehler machen können, ohne dadurch ein zwischenmenschliches Risiko einzugehen.

Mittlerweile gibt es viele Studien – von Wissenschaftlern, aber auch von Unternehmen wie Google oder von dem Beratungskonzern McKinsey – die die Bedeutung von psychologischer Sicherheit belegen: Denn sie fördert nicht nur das Wohlbefinden der Teammitglieder, sondern ist auch der Top-Faktor für die Effektivität und den langfristigen Erfolg eines Teams. Psychologische Sicherheit ist ein handfester ökonomischer Faktor – auch, wenn wir an die Erwartungen der Generationen Y und Z auf dem Arbeitsmarkt denken.


Inwiefern ist psychologische Sicherheit eine „Superkraft“ für erfolgreiche Teamarbeit und gute Führung?

Die meisten Leute haben das schon mal selbst erlebt. Wer einmal in einem besonders „sicheren“ Team mit der entsprechenden Führung gearbeitet hat, wird wissen: Das ist ein besonderer Schatz. Hier werde ich so akzeptiert, wie ich bin. Ich kann etwas schaffen – und darf dabei auch mal einen Fehler machen. Ich kann meine Meinung frei heraus sagen und vielleicht sogar eine Veränderung anstoßen.

Und wer schon mal in einem „Klima der Angst“ gearbeitet hat, kann viele Horror-Geschichten erzählen, wie sich das langfristig sowohl auf die individuelle Leistung und die Gesundheit als auch auf die Fähigkeiten des ganzen Teams oder Unternehmens auswirkt.

Ein Beispiel aus einem besonders sensiblen Umfeld: In einem Krankenhaus bemerkt ein Pfleger, dass die leitende Ärztin im Stress die falsche Infusion verordnet hat. Er spricht das an und erhält zur Antwort: „Wer hat denn hier studiert? Sie oder ich?“ – Dann wird er das nie wieder ansprechen. Und alle anderen, die das mitbekommen haben, werden wohl auch lieber schweigen. Darunter leiden die Behandlungsqualität, die Patientinnen und Patienten und alle anderen. Viele der Beschäftigten kündigen dann irgendwann.


Wie entsteht psychologische Sicherheit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern?

Führungskräfte setzen naturgemäß den Ton. Wenn Führende das Thema grundsätzlich ernst nehmen, ihre eigene Rolle dabei bedenken oder sich Feedback holen, ist schon viel gewonnen. Eine wertschätzende Grundhaltung ist dabei zentral. Und damit meine ich nicht, dass alles immer nur gelobt werden sollte! Das ist das Gegenteil von psychologischer Sicherheit, die ja ermöglicht, dass auch heikle Themen angesprochen und geklärt werden.

Ein offener und aufrichtiger Umgang mit eigenen Fehlern, der eigenen Verletzlichkeit oder dem eigenen Nicht-Wissen sind dann der nächste Schritt. Das fällt vielen nicht leicht, vor allem, wenn sie Verantwortung in einem Unternehmen tragen, in dem von Führenden eine Art „Heldentum“ oder eine unkaputtbare „Macher-Haltung“ erwartet wird.

Aber auch alle anderen im Team können aktiv werden und Verantwortung für psychologische Sicherheit übernehmen oder ein gutes Miteinander verteidigen. Offenheit, Aufrichtigkeit und das Stehen zu eigenen Fehlern sind auch da hilfreiche Signale. Und manchmal reicht ja ein einziger „Stinkstiefel“ im Team, um das ganze Klima zu vergiften. Das nicht einfach hinzunehmen, sondern aktiv anzusprechen, Rückmeldungen zu geben und unter Umständen auch zu eskalieren, gehört auch zu einem psychologisch sicheren Umfeld.


Wie lässt sich psychologische Sicherheit in einem Team messen und beobachten?

In meinem Buch beschreibe ich, dass psychologische Sicherheit sich über vier Ebenen hinweg entwickelt. Jede Ebene lässt sich in dem von mir entwickelten Test messen und beobachten.

Da ist zuerst die Ebene der Zugehörigkeit: Wenn ich mich grundsätzlich akzeptiert fühle, wenn nicht hinter meinem Rücken geredet wird und ich über die wichtigsten Dinge Bescheid weiß, kann ich mich zugehörig fühlen. Die zweite Ebene ist die Ebene des Lernens: Muss ich negative Konsequenzen fürchten, wenn mir ein Fehler unterläuft? Kann ich andere im Team problemlos um Unterstützung bitten? Kann ich darauf vertrauen, Feedback zu erhalten? Fühle ich mich in der Lage, anderen Feedback zu geben?

Die dritte Ebene ist die Ebene des Leistens: Bekomme ich Gelegenheit, einen Beitrag zu leisten und Verantwortung zu übernehmen? Wird meine Leistung im Team geschätzt? Werden Spannungen und Konflikte angesprochen und geklärt? Arbeitet jemand im Team gegen mich? Die vierte und höchste Ebene ist die Ebene der Offenheit für Veränderung: Gehe ich ein Risiko ein, wenn ich bei wichtigen Themen mit den anderen nicht übereinstimme? Werden meine Ideen oder Vorschläge gehört und diskutiert?

Die Antworten auf solche Fragen sind natürlich hochgradig subjektiv. Doch sie ermöglichen zum Beispiel nach einer anonymen Umfrage, das Thema besprechbar zu machen. Dann kann man überlegen, auf welcher Ebene Veränderungen sinnvoll sein können und welche Handlungsmöglichkeiten es gibt. Manchmal reichen schon kleine Schritte, um etwas zu verbessern.


Kannst du konkrete Beispiele aus der Praxis teilen, die zeigen, wie psychologische Sicherheit die Teamleistung verbessert hat?

Ein Team, das ich lange als „Company Coach“ begleiten durfte, klagte nach einer intensiven Wachstumsphase über „miese Stimmung“ und „Misstrauen“ untereinander. Es gab viel Flurfunk, teilweise aus meiner Sicht sogar Mobbing. Einige Leute waren kurz vor der Kündigung. Die Idee aus dem Team und der Chefs war, einen „Feelgood-Manager“ einzustellen. Ich hatte meine Bedenken dazu: Die Verantwortung für die gemeinsame Kultur lässt sich nicht auf eine Rolle oder Stelle übertragen.

Statt dessen haben wir in mehreren kurzen Workshops und im Coaching mit den Chefs daran gearbeitet: Es ging es um die zentralen Themen Feedback und Kommunikation oder Umgang mit Fehlern. Zuletzt gab sich das Team eine „Charta des Miteinanders“, die alle – inklusive der Geschäftsführer – unterzeichnet haben. Seitdem haben zwei Leute das Team verlassen – aber es waren die „Richtigen“. Die Zusammenarbeit fühlt sich leichter an und die Projekte flutschen wieder. Das konsequente Bearbeiten und Verteidigen der Kultur auch auf der formalen Ebene der „Charta“ hat sich gelohnt.


Letzte Frage: Was erwartet die Teilnehmenden im ime-Seminar zu dem Thema?

So ein offenes Seminar hat ja immer eigene Regeln, weil die Teilnehmenden meist bunt gemischt sind. Hier geht es erstmal darum, als Trainerin in der Seminargruppe selbst ein psychologisch sicheres Umfeld zu schaffen und transparent zu machen, wie ich dabei vorgehe. Dann lässt sich ein kurzer theoretischer Input nicht vermeiden. Die Teilnehmenden machen den Test und erfahren dabei auch viel über die Ebenen psychologischer Sicherheit. Und dann geht es einen Schritt weiter in die praktische Umsetzung mit Kommunikationsbeispielen und Übungen und vielen ganz konkreten Handlungsmöglichkeiten.


Karin Volbracht, Trainerin im Auftrag des ime

Zur Trainerin:
Karin Volbracht ist seit mehr als 10 Jahren erfolgreiche Trainerin für Führung und Kommunikation beim ime. Ihr Buch „Psychologische Sicherheit. Die Superkraft erfolgreicher Teams“ ist im März 2024 im Haufe-Verlag erschienen.


Alle Bilder: ©Birte Holtmann


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